„Irrtum Ruhestand. Wie die späten Jahre die besten werden.“

„Im Idealfall machen Führungskräfte ihren Mitarbeitenden zeitnah ein Angebot, um länger zu bleiben. Wir steuern auf einen enormen Arbeits- und Fachkräftemangel zu.“ Es gelte, den Kurs zu ändern, „Reserven zu heben und den Dienstnehmern wieder einen Sinn zu geben.“ Dieser sei das fundamentalste Bedürfnis des Menschen, so Drexel in seinem Vortrag.

Dr. Gerhard Drexel war 31 Jahre lang im Vorstand von Spar tätig, davon 20 Jahre als Vorstandsvorsitzender. Der Betriebswirt hat nun ein Buch veröffentlicht. Darin fordert er zum einen politische Anreize für eine längere Erwerbstätigkeit, etwa durch steuerliche Vorteile. Zum anderen ein gesellschaftliches Umdenken.

Seinen Vortrag im Rahmen der „Experten-Gespräche“ bei ASEP Austrian Senior Experts hat Dagmar Lang zusammengefasst.


Postoperativ tätig statt Parkbank

Er war 30 Jahre im Vorstand der Spar, davon 20 Jahre als Vorstandsvorsitzender. In dieser Zeit hat Gerhard Drexel das österreichische Familienunternehmen zu einem mitteleuropäischen Konzern entwickelt und in Österreich die Marktführerschaft errungen. Das operative Aus war immer vorbestimmt: laut den Statuten der Spar ist für Vorstände mit Vollendung des Kalenderjahres des 65. Lebensjahres Schluss. Für Gerhard Drexel war das der 31.12.2020, nach dem für den Lebensmittelhandel enorm herausfordernden Coronajahr.

Wie vorgesehen wechselte er an die Spitze des Aufsichtsrats des Unternehmens und sah sich trotzdem mit seltsamen Fragen konfrontiert: „Wie geht es Dir in Deiner Pension?“ und noch ärgerlicher: „Gehst Du noch Skifahren? Machst Du noch längere Autoreisen?“ So als wäre man mit 65 ein alter Mann. Weit gefehlt, Gerhard Drexel war gerade dabei neue Aufgaben anzupacken. Also er schrieb er sein erstes Buch „Auf den Spirit kommt es an“ schildert die Erfolgsfaktoren der Spar in Bezug auf werteorientierte Mitarbeiterführung, ehrliche Anteilnahme und empathische Führungskräfte.

Seine ersten Erfahrungen mit dem Thema „Pension und Ruhestand“ lieferten ihm dann die Nahrung für sein zweites Buch: „Irrtum Ruhestand. Wie die späten Jahre die besten werden“ ist eine sehr flott geschriebene Anleitung, wie man der Altersfalle „Ruhestand“ entkommen kann, in dem man sein eigener Transformationsmanager wird, sich Aufgaben sucht, die Sinn machen und die das Leben in die wichtigen Phasen – Arbeit und Ruhezeiten – strukturieren.

Deshalb findet Drexel die „Austrian Senior Experts“ (ASEP) eine besonders sinnvolle Vereinigung. „Sie sind Experten in einem Alter, wo man am meisten weiß und man meisten kann.“ Deshalb findet es Drexel auch fahrlässig, dass die Wirtschaft viel zu wenig auf die Expertise der Älteren zurückgreift, dass Golden-Hand-Shake-Programme für 50jährige Frauen und 55jährige Männer angeboten werden und sich die Politiker scheuen, das Pensionsantrittsalter der neuen Lebenserwartung anzupassen. Das sei auch ein volkswirtschaftlicher Schaden, der da angerichtet werde, meint Drexel beim Vortrag bei ASEP, denn es könne sich rein rechnerisch nicht mehr ausgehen.  In seinem Buch zitiert er Viktor Frankl, wonach der Mensch nach Sinn strebt. Sinnleere und Sinnkrise führen zu Verlustängsten und können erwiesenermaßen krank machen. Beziehungs- und Machtverlust können psychische und physische Krankheiten hervorrufen.

„Das Gehirn ist wie ein Muskel und will trainiert werden. Kreuzworträtsel reichen dafür nicht“, postuliert Drexel, der überzeugt ist, dass der Ruhestand ein fatales Konzept ist, ein dramatischer Fehler und ein existenzieller Irrtum. „Das bisherige Altersbild ist überholt“, sagt Drexel, dessen Vater dafür ein leuchtendes Beispiel war. Bis 90 ist er jeden Vormittag ins Büro gefahren und nach dem Mittagessen wieder. Mit 93 hat er sich dann entschieden, am Nachmittag Homeoffice zu machen. Gerhard Drexel macht es ähnlich. In seiner aktiven Vorstandsvorsitzenden Zeit kam er um 19.30 Uhr nach Hause und arbeitete nach dem Abendessen bis Mitternacht weiter. Jetzt hört er nach dem Abendessen damit auf. Und er zitiert Cicero mit der Weisheit: „Fange nie an, aufzuhören und höre nie auf, anzufangen.“ Wer das beherzigt, sich die richtigen Aufgaben sucht (es dürfen auch ehrenamtliche sein), wird die postoperative Zeit sinnerfüllt genießen, statt auf der Parkbank langsam zu verblöden.

Dagmar Lang
Austrian Senior Expertin

Dagmar Lang ist ehemalige Herausgeberin diverser Magazine im Manstein Verlag.

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