Petrus öffnete die Himmelstür. Er war noch etwas müde, es war der 25. Dezember, Christtag, der Tag nach dem Heiligen Abend. Im Himmel war es nach den hektischen Wochen davor ruhig geworden. Alle Geschenke waren ausgeliefert, die Menschen zufrieden, die Kinder glücklich.
Doch was war das? Petrus war mit einem Schlag hellwach! Denn vor der Himmelstür stapelten sich endlos hoch braune Kartons, sie türmten sich auf den Wolken, soweit sein Auge sehen konnte. Große Pakete, kleine Pakete, schmale Pakete, breite Pakete, alle Variationen waren dabei. Petrus versuchte, rasch die Tür wieder zu schließen, doch der Paketstrom ergoss sich bereits in den Himmel und schien kein Ende nehmen zu wollen.
Petrus seufzte, dann besah er sich einige der Kartons genauer. In jedem der Kartons schien ein Weihnachtsgeschenk zu sein, daneben lagen aufgerissen das Geschenkpapier und die Schleifen. Und eines hatten alle Pakete gemeinsam: „Zurück an den Absender“ stand überall groß darauf geschrieben.
Was war passiert? Was in Himmels Namen war passiert? Irgendetwas stimmte da ganz und gar nicht! Jetzt war jedenfalls rasches Handeln gefragt, Petrus drückte sofort die Not-Himmels-Glocke und schon bald war die Versammlung der Engel und Heiligen vollständig.
Als erste Kriseninterventionsmaßnahme wurde eine Abordnung Engel zur Erde geschickt, denn Petrus hatte einen furchtbaren Verdacht: Etwas musste bei der Auslieferung der Weihnachtsgeschenke furchtbar schief gegangen sein. Und während die Abordnung der Engel auf ihrer Fakt-Finding-Mission war, begann im Himmel die erste Analyse.
„War heuer bei der Auswahl der Weihnachtsgeschenke irgendetwas anders als sonst?“, fragte Petrus. Er war in die Weihnachtsvorbereitungen nicht so involviert und hatte die aktuellen Entwicklungen auch nicht mitverfolgt.
Die große Schar der Engel und Heiligen rührte sich nicht. Alle schienen im Schockzustand über das, was passiert war. Denn der Strom der zurückgeschickten Pakete wollte kein Ende nehmen.
Nur in der hintersten Ecke, bei den ganz jungen Engeln, war etwas in Bewegung geraten. Die kleinen Engel wollten sich am liebsten unsichtbar machen, quasi in Luft auflösen. Selbstverständlich ein völlig sinnloses Unterfangen, Engel sind zwar auf der Erde unsichtbar, aber im Himmel nicht.
„Kennt ihr den Grund dieses Chaos?“ wandte sich Petrus nun an sie. Schlagartig war es noch stiller im großen Himmelsraum, alle Köpfe wandten sich den jungen Engeln zu. Und dann, nach langer Zeit des Schweigens, flüsterte der jüngste Engel: „KI“. – „Wie bitte?“ Petrus verstand gar nichts mehr. „KI, künstliche Intelligenz“, flüsterte der Engel noch einmal. „Wir haben die KI dazu eingesetzt, die Wünsche der Menschen zu erkennen und die entsprechenden Geschenke zuzuordnen.“ Petrus schnappte nach Luft. „Wir wollten doch nur helfen!“ Der kleine Engel weinte beinahe. „Wir wollten den Himmel entlasten!“ Petrus konnte nur mehr stumm den Kopf schütteln.
In der Zwischenzeit war die Abordnung der Engel zurückgekehrt. „Die Menschen haben die falschen Geschenke erhalten“, berichteten sie. „Und dann haben sie getan, was sie immer tun, wenn ihnen etwas nicht gefällt: Sie haben ihr Geschenk in einen Karton gepackt und zurückgeschickt.“
Petrus blickte noch einmal in einige der Kartons, die er mitgenommen hatte: „Und wieso sind die Geschenke eigentlich alle in Kunststoff- oder Metallfolien eingepackt?“
„Das waren wir nicht“, riefen die jungen Engel. „Wir wissen, dass Weihnachten, so wie es die Menschen heute feiern, eigentlich ein Klimakiller ist.“ Jetzt wurde allerdings eine andere Gruppe von Engeln – die Verpackungsengel – blass. Man hörte gemurmelte Worte wie „Softwarefehler“ und „Restbestände verwerten.“
Petrus aber war hellhörig geworden. „Weihnachten, das Fest der Liebe und des Friedens, ein Klimakiller?“ fragte er noch einmal nach.
Die Schar der jungen Engel nickte: „Ja, jedes Weihnachtsfest hinterlässt einen riesigen Müllberg. Millionen Kartons, weil so viele Leute online bestellen. Geschenkpapier, das nicht oder nur schwer verwertet werden kann, weil es aus Metall oder beschichtet ist. Und Tonnen an Essen, das nach den Feiertagen weggeworfen wird, weil die Menschen einfach zu viel einkaufen.“
Petrus sah noch einmal mit sorgenvollem Gesicht nach draußen. Noch immer kamen neue Pakete dazu, sie ergossen sich jetzt sogar schon auf seine Wolke, fielen auf ihn herab, bedeckten ihn, er lag schon unter einem großen Berg, die Pakete schienen ihn zu erdrücken …
… da schreckte er hoch. Er hatte nur geträumt. Es war nicht der 25. Dezember, es waren drei Tage vor Weihnachten. Er war offensichtlich völlig überarbeitet, sein Posten an der Himmelstür war in diesen Wochen auch ziemlich anstrengend. Es begehrten viel mehr Menschen als sonst Einlass in den Himmel, es kamen vor allem sehr viele Autofahrer, die in diesen dunklen, hektischen Tagen einfach zu schnell unterwegs gewesen waren …
Er dachte an seinen Traum. Künstliche Intelligenz, Klimawandel, Online-Handel – die Welt hatte sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten sehr verändert. Und dass ausgerechnet Weihnachten ein Klimakiller sein sollte, das wollte weder in seinen Kopf noch in sein Herz.
„Es ist drei Tage vor Heiligabend“, dachte er. „Was können wir so kurzfristig noch tun?“ Für die Gründung einer Task-Force „Weihnachten“ war es eindeutig zu spät, rasches Handeln war gefragt. Petrus lud die jungen Engel zu einem Spontan-Meeting ein, ein paar ältere nahm er auch noch dazu, ein gemischtes Team hatte sicher die besten Ideen.
Und so kam es, dass am nächsten Tag auf vielen Social-Media-Kanälen, im Fernsehen, in den Printmedien und im Radio ein Thema vorherrschte: Nachhaltige Weihnachten. Manche meinten, das wäre wohl etwas sehr knapp vor Weihnachten, aber die Influencer, Chefredakteure und Meinungsbildner sagten, dass passe ganz gut zu den Last-Minute-Weihnachtsvorbereitungen, die heutzutage üblich waren. (In Wahrheit wollten sie bloß nicht zugeben, dass sie keine Ahnung hatten, wie all diese Inhalte in ihre Medien kamen.) Nur die Redaktionsengel im Himmel lächelten still in sich hinein. (Ja, auch Journalisten kommen in den Himmel!)
Und so kam es, dass am Heiligen Abend und am Christtag viele Geschenke nachhaltig verpackt oder sogar unverpackt unterm Christbaum oder vor dem Kamin lagen. Und jene, die noch immer vor einem großen Berg an Kartons und Geschenkpapier saßen, nahmen sich fest vor, es im nächsten Jahr anders zu machen.
Das Christkind und der Weihnachtsmann hatten nämlich nicht nur die gewünschten Geschenke geliefert, nein, sie hatten noch Pakete dazu gelegt: „Verantwortung für Mutter Erde“, „Nachhaltig wirtschaften“, „Umweltbewusst handeln“, „Ökologische Weihnachten“, „Nachhaltige Verpackung“, „Klimaschutz“, „Nachhaltiger Konsum“ und vieles mehr stand auf diesen Paketen. Und bei allen, die diese Pakete öffneten, stieg das Bewusstsein für Nachhaltigkeit.
Damit holten sich Christkind und Weihnachtsmann Verstärkung bei ihrem Vorhaben, die Welt für zukünftige Generationen zu retten. Und so entstanden überall Initiativen, die sich für eine nachhaltigere Zukunft einsetzten.
Auch bei ASEP tut sich in diesem Bereich viel: Man denke nur an die große Veranstaltung „Nachhaltige Verpackung – Mythos oder Chance“, an die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie und vieles mehr. Aber das ist eine andere Geschichte …
Mag. Brigitte Wagner
Senior Expert