
Dekarbonisierung – substantielle Erfolge, aber nicht genug, um das Ziel zu erreichen
In ihrem im Oktober publizierten World Energy Outlook World Energy Outlook 2023 – Analysis – IEA (WEO)[1] prognostiziert die Internationale Energie Agentur, IEA/OECD, [2] dass die nun stattfindenden weltweiten Veränderungen bis zum Ende dieses Jahrzehnts zu einem substantiell anderen globalen Energiesystem führen werden. Trotzdem ist diese Neuausrichtung nicht ausreichend, um das Ziel einer nachhaltigen Reduktion der Treibhausgase zu erreichen – damit die Erderwärmung, wie im Paris Agreement gefordert, nicht über 1.5°C hinausschießt.
Substantielle Erfolge der Energiewende
Einerseits unterstreicht die IEA,
- dass gegen Ende der Dekade weltweit etwa 10-mal mehr Elektroautos am Markt sein werden,
- dass der Anteil der erneuerbaren Energiequellen an der Stromerzeugung fast 50% betragen wird,
- dass mehr Wärmepumpen oder andere elektrische Heizungssystem als fossil betriebene verkauft werden,
- dass dreimal mehr Investitionen in offshore Windenergie fließen werden als in Kohle- oder Gaskraftwerke.
Ebenso ist zu erwarten, dass die Spitzen des weltweiten Bedarfes an Kohle, Erdöl und -gas bis 2030 erreicht werden. Dies sind die guten Nachrichten.
Zu wenig, um das Klimaziel zu erreichen
Andererseits sind aber in den kommenden Jahren weltweit verstärkte Anstrengung erforderlich, um eine darüberhinausgehende Reduktion an Treibhausgase zu erreichen, die für die Begrenzung der Erderwärmung notwendig sind. Die IEA meint, dass das Erreichen des 1.5 °C Zieles zwar möglich bleibt, dies aber sehr schwierig wird. Weitere entscheidende Maßnahmen wären nach Ansicht der IEA notwendig, unter anderem:
- eine Verdreifachung der Kapazitäten der erneuerbaren Energie,
- eine Verdopplung der Energieeffizienz,
- eine substanzielle Reduktion der durch fossile Energiequellen verursachten Methanemissionen und
- eine Verdreifachung der Investitionen in saubere Energiequellen in Schwellen- und Entwicklungsländern.
Ohne weitere strenge Maßnahmen wird die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen bei weitem zu hoch bleiben, um das im Paris Agreement festgelegte Klimaziel zu erreichen. [3]
Forciertes politisches Handeln ist notwendig
Die nachhaltige Neuorientierung der Energiesysteme ist eine Aufgabe für kommende Jahrzehnte, der wir uns stellen müssen. Sie ist eine Herausforderung für unsere Industrie, aber sie bietet auch viele Chancen. Produktionsprozesse und Technologie müssen nachhaltig und oft mit hohem Kapitaleinsatz umgestellt werden, z.B. in der Stahlerzeugung, der Zementproduktion, der Papierindustrie, aber besonders auch in Landwirtschaft oder für die Gebäudesanierung. Die Nachfrage nach neuen Produkten, wie beispielsweise Wärmepumpen, Ladestationen udgl., aber auch Planungs- und Beratungsleistungen sowie neue Forschungsschwerpunkte werden neue und lohnende Geschäftsfelder eröffnen.
Die forcierte Neuordnung der Energiesysteme fordert entschlossenes politisches Handeln, dies reicht von zielorientierter Unterstützung der Industrie bis zur gerechten Abfederung der finanziellen Auswirkungen auf weite Kreise der Bevölkerung.
Geopolitische Entwicklungen werden zusehends herausfordernder
Eine beschleunigte Umstellung der Energiewirtschaft auf erneuerbare Energiequellen ist verstärkt auch im geopolitischen Kontext zu sehen: die Verfügbarkeit von kritischen Rohstoffen, der Zugang zu Technologien und Produkten, die für eine Energiewende unabdingbar sind, muss mittel- und langfristig sichergestellt werden. In vielen Bereichen, die für die Investitionen in erneuerbaren Energiequellen entscheidend sind, ist Europa von Importen abhängig; etwa ein Viertel der Elektrofahrzeuge und Batterien sowie fast alle Fotovoltaikmodule und Brennstoffzellen werden eingeführt – hauptsächlich aus China. Bei Fotovoltaiktechnologien und ihren Bauteilen übersteigt diese Abhängigkeit von China 90 %. Eine erfolgreiche, sichere und kostengerechte Dekarbonisierung unsere Wirtschaft ist somit unausweichlich mit einem verantwortungsvollen De-risking verbunden (d.h. Diversifizierung von Bezugsquellen, Aufbau widerstandsfähiger Lieferketten, verstärkte internationale Zusammenarbeit).
Erich Unterwurzacher
Senior Expert
unterwurzacher@praeditum.com
[1] Der WEO ist die weltweit führende Quelle des Energiesektors für Analysen und Projektionen. Auf der Grundlage objektiver Daten und neutraler Analysen liefern ihre verschiedenen Szenarien essenzielle Erkenntnisse zu Angebot und Nachfrage auf den globalen Energiemärkten sowie zu den Auswirkungen auf die Energiesicherheit, die Klimaziele und die wirtschaftliche Entwicklung.
[2] The International Energy Agency (IEA) is an intergovernmental organisation committed to advancing security of energy supply, economic growth and environmental sustainability through energy policy co-operation. The IEA operates as an autonomous body within the framework of the OECD. The Agency aims to foster the contribution of the energy sector to economic development and environmental sustainability across the globe.
[3] Parts of this contribution are derived by ASEP from IEA material and ASEP is solely liable and responsible for this derived work. The derived work is not endorsed by the IEA in any manner.